RTL-plus – die Anfänge des Privatfernsehens in Deutschland
von Josef Theobald
Im Januar 1984 war die Geburt eines neuen Fernsehprogrammes.
Anbieter war die RTL-Organisation in Luxemburg gewesen. Eine
Infratest-Untersuchung ergab die Zahl von 600.000 Zuschauern.
So war ein Markt für ein privat finanziertes Fernsehen vorhanden.
Am 02. 06. 1984 erschien erstmals die „Teleschau 4“, ein vierzehn
tägiges Programmheft mit dem ausführlichen RTL-plus-Fernsehprogramm. Herausgeber der Programmzeitschrift war die in Völklingen
ansässige C&B Werbung. [1]
Wenn man heute die alten Hefte durchgeht, sieht man doch, dass
man sich noch vielfach in der Experimentierphase befand. Die bei
Leo Kirch eingekauften Fernsehserien liefen vielfach vorher schon
in den öffentlich-rechtlichen Kanälen, wie die Serie „Die Macht des
Geldes“ im ARD-Regionalprogramm. [2] Weiterhin erfolgreich war
die RTL-Sendung „Unglaubliche Geschichten“ mit Rainer Holbe
und Elmar Gruber. Auch sei an dieser Stelle noch die Sendung
„Einfach tierisch“ (Moderation: Iff Bennett) genannt. Zu dieser
Zeit gab es noch regionale Fenster, wie die Sendung „Regional
7“ zeigte. Diese brachte Informationen aus der Region in einer
Kooperation mit der Rheinzeitung und der Saarbrücker Zeitung.
In kürzester Zeit gelang es, die Programmdauer von anfangs 7
Stunden auf 24 Stunden zu erhöhen. Dabei war der Kapitaleinsatz vergleichsweise bescheiden. Nur umgerechnet 130 Millionen Euro Anlaufverluste wurden bis 1990 angehäuft, als der
Sender erstmals Gewinn erwirtschaftete. RTL profilierte sich
als luxemburgisch-deutscher Anbieter zunächst mit preiswert
zu produzierenden Gameshows. Darüber hinaus besetzte man
wenig zurückhaltend vorhandene Programmnischen. Aus den
ganz seriösen drei „T“ bei der ARD „Titel, Thesen, Temperamente“ wurde bei RTL „Tarzan, Thriller, Titten“. So hatte der
damalige Chefredakteur selbst seine Gesellschaft als „Tittensender“ charakterisiert (zit. JUPPE 1997, S. 41). [3] Denn man
glaubte, man könne mit einem drittklassigen Schauspieler und
mit ein paar Busenwundern an seiner Seite mit einem schmalen
Budget eine komplette Sendung auf die Beine stellen. So erfand
man die Quiz-Show „Tutti Frutti“, die in den italienischen Studios
von Berlusconi produziert und zwischen 1990 und 1993 mit etwa
100 Folgen ausgestrahlt wurde. Damit wollte man nach dem damaligen Geschäftsführer Ludwig Thoma öffentliches Aufsehen
erregen und entsprechende Einschaltquoten erzielen. Das sollte
mich an die Anfänge des privaten Radios in Belgien erinnern. Bei
RADIO BENELUX (BNL) füllte diese Nische der „Onkel Patrick“
aus, der mit seinem Programm weit nach NRW zu empfangen
war. Allerdings musste er sich später wegen seiner Ferkeleien
im Äther doch noch vor einem belgischen Gericht verantworten.
Als sich RTL 1993 als Marktführer etabliert hatte, ging man in
dieser Hinsicht zur eigenen Vergangenheit auf Distanz. Man
müsse sich in der Rolle als Marktführer eben gesellschaftlich
verantwortlich benehmen. Also anders, wenn man selbst als
Angreifer auftritt. [4]
ANMERKUNGEN
[1] Teleschau 4, Nr. 2/85, Seite 10 + 12.
[2] Die US-Serie „Die Macht des Geldes“ mit Lana Turner, George
Hamilton usw. war eine Kultserie aus Hollywood gewesen, die
auch im deutschsprachigen Raum für Aufsehen sorgte.
[3] Konrad Dussel, Deutsche Rundfunkgeschichte, 2. überarbeitete
Auflage, UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2004, Seite
289.
[4] wie [3], jedoch die Seiten 289/90.
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